Ich habe gerade das wirklich empfehlenswerte Buch von Katharina Rogenhofer und Florian Schlederer, zwei der Hauptakteur*innen der österreichischen Fridays for Future Bewegung, mit dem Titel „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ gelesen. Neben vielen teils verstörenden Fakten und einer Reihe inspirierender Impulse, selbst aktiv zu werden, drängt sich mir folgende Schlussfolgerung auf:

Wer als Unternehmer*in die Unternehmensstrategie jetzt nicht an ökologischer Nachhaltigkeit ausrichtet, handelt fahrlässig gegenüber den Mitarbeiter*innen.

Katharina Rogenhofer schildert (ab Seite 190) eine Szene, in der ein Top-Manager aus der Automobilbranche ihr vorwirft, sie würde mit ihren Forderungen zur Nachhaltigkeit im Mobilitätsbereich die Arbeitsplätze von 76.700 Menschen gefährden. Rogenhofer kontert: Nicht sie, die Aktivistin, gefährdet diese Arbeitsplätze, sondern es sind die Unternehmen (und deren Manager*innen) selbst, die es übersehen haben, rechtzeitig ihre Strategien an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und eine Trendwende der Automobil-Branche hin zu zukunftsfähigeren Technologien mit zu gestalten.

Rogenhofer schreibt weiter (S. 191): „Das Bevorstehende ist bekannt“, und bezieht sich dabei auf die massiven ökologischen Veränderungen, die wir erleben werden, wenn die Klima- und Nachhaltigkeitsziele nicht schleuingst eingehalten werden. Aus Unternehmensperspektive würde ich hinzufügen: Auch die gegenwärtigen Trends in allen Bereichen des Wirtschaftslebens lassen sich nur noch schlecht verleugnen: Insbesondere junge Konsument*innen fordern nachhaltige Produkte und Dienstleistungen und Politiker*innen geraten zunehmend unter Druck seitens der Zivilgesellschaft und seitens internationaler Organisationen, öko-soziale Steuer- und Gesetzesreformen umzusetzen, die nachhaltiges Wirtschaften fördern und „Ökosünden“ sanktionieren. Mittelfristig werden Geschäftsmodelle, die nicht zu den sich ändernden Kund*innenbedürfnissen bzw. der geänderten Steuer- und Gesetzeslage passen, große wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen und in vielen Branchen – eben beispielsweise der Automobilbranche – zu Schließungen bzw. einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen führen.

Ich wundere mich oft, wie hartnäckig viele Unternehmer*innen an diesen Trends „vorbeiwirtschaften“ als ob nichts wäre und gegen Nachhaltigkeits-Regulationen lobbyieren, statt sich strategisch neu auszurichten und Nachhaltigkeit als strategisches Thema bzw. als Chance für Innovation und Veränderung zu verstehen.

In meiner Forschung habe ich mich ausführlich mit strategischer Erneuerung und strategischen Veränderungen beschäftigt. Damit Unternehmen in einer dynamischen Umwelt Veränderungsfähig sind, brauchen sie drei Veränderungskompetenzen („Dynamic Capabilities“):

  • Sensing bezeichnet die Fähigkeit, laufend den Markt zu beobachten und Trends zu erkennen. Dazu gehören unter anderem Geschäftsaktivitäten der Mitbewerber, Kund*innenbedürfnisse, aber auch allgemeine gesellschaftliche Veränderungen, wie eben die großen Umweltprobleme unserer Zeit, denen wir ins Auge sehen müssen.
  • Seizing bezeichnet die Fähigkeit zu erkennen, welche dieser Trends für das eigene Unternehmen relevant sind, welche ignoriert werden können und auf welchen „Zug“ man als Unternehmer*in aufspringen möchte. Seizing sollte daher eng mit der Unternehmensstrategie verbunden sein.
  • Transforming bezeichnet die Fähigkeit, das eigene Unternehmen kontinuierlich (oder auch radikal) an die veränderten Trends anzupassen. Dazu gehört unter anderem der Aufbau von Wissen und Kompetenz (z.B. durch Schulungen, neue Mitarbeiter*innen), der Aufbau von Infrastruktur (z.B. veränderte Maschinen) und das Knüpfen neuer Netzwerk-Kontakte (z.B. Lieferant*innen, Abnehmer*innen).

Wenn Sie also in einer Branche tätig sind, in der Nachhaltigkeitsthemen relevant sind (welche ist das nicht?) und Sie langfristig Unternehmenserfolg gewährleisten bzw. die Arbeitsplätze Ihrer Mitarbeiter*innen sichern wollen, brauchen Sie diese Veränderungskompetenzen.

Konkret bedeutet das:

  • (Sensing) Schauen Sie genau hin, was in Ihrem Umfeld passiert. Welche Trends (Kund*innenwünsche, mögliche Gesetzesreformen, Materialinnovationen, etc. ) sind in Ihrem Umfeld in Zusammenhang mit Nachhaltigkeit besonders relevant? Was machen Mitbewerber in diesem Bereich? Welche Bedürfnisse, Einstellungen und Ideen haben Mitarbeiter*innen in Bezug auf Nachhaltigkeit? Welche Gesetzesentwicklungen und Finanzierungsthemen zeichnen sich ab?
  • (Seizing) Prüfen Sie ehrlich und kritisch Ihre Strategie dahingehend, ob sie diese Entwicklungen ausreichend berücksichtigt und abdeckt. Passen Sie gegebenenfalls Ihre Strategie an. Fragen Sie sich, wo die Stärken und Schwächen Ihres Unternehmens in Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten liegen: Wo haben Sie besonderes Know-How, wo liegen Ihre Stärken? Wo können Sie vielleicht mit bestehenden Methoden neue Probleme lösen? Wo liegen Ihre Schwächen? Entscheiden Sie, welche Trends Sie in Ihrem Unternehmen aufgreifen wollen (und müssen) und was nicht zu Ihnen passt.
  • (Transforming) Bauen Sie in den erforderlichen Bereichen Know-How und Infrastrukturen auf. Vielleicht müssen Sie neue Mitarbeiter*innen einstellen, die das Wissen bereits haben, vielleicht sind Sie aber auch Pioniere in Ihrem Feld und müssen das Wissen durch Experimentieren und Lernprozesse aufbauen. Suchen Sie sich neue Netzwerke und Umsetzungspartner, um ein neues wirtschaftliches Ökosystem aufzubauen.

Allgemein gilt: Wenn Sie als Unternehmen erfolgreich sein (bzw. bleiben) und somit auch Arbeitsplätze schützen möchten, sollten Sie mit den Trends zur Veränderung arbeiten, statt viel Energie darauf zu investieren, den Status-Quo aufrecht zu halten.

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